25 Jan Mehr Natur, mehr Mensch sein
Berlin war 40 Jahre lang meine Heimatstadt. Irgendwann wurde mir die Stadt zu laut, zu stinkig und zu trubelig. Sie entsprach nicht mehr meiner Natur. Von der Natur wollte ich mehr. Ich wollte sie erleben. Und ich sagte zu mir, auf einem meiner Ausflüge, ich will nicht in die Natur gehen, um mich zu erholen, sondern ich möchte in der Natur leben, um erholt zu sein.
Nun lebe ich zwar nicht mitten in der Natur, aber nah dran. Hier in Potsdam gehe ich fast täglich in den Park oder in den Wald. Dann ziehe ich meine Schuhe aus, spüre das Gras unter meinen Fusssohlen, oder den Waldboden. Ich atme die grüne Luft in meine Lungen hinein und spüre, wie ich wieder mehr zurück in meinen Körper komme. Mein Körper wird weicher, mein Geist beruhigt sich und ein warmes, zufriedenes Gefühl durchströmt mich. Dafür brauche ich gar nichts zu tun. Nur zu gehen und zu spüren, was gerade unter meinen Fusssohlen passiert. Meine Gedanken sind im Moment. Meine Sinne nehmen wahr und ich erlebe das JETZT.
Wenn ich dann mit meinen Gedanken plötzlich ganz woanders lande, was nicht selten alle paar Sekunden geschieht, dann ist es oft ein Vogel, der mich wieder zurück holt, in den Moment. Er sitzt in einem Busch oder auf einem Ast eines Baumes und sieht mich neugierig an. Überlegt kurz, ob er bleibt oder vor mir wegfliegen soll. Diesen Moment nutze ich, um ihn zu betrachten, ihm nah zu sein. Ihn zu erleben. Die Natur zu erleben. Und so erlebe ich mich. In der Natur. Mit der Natur. Er-lebe ich den Moment.
Und dann gehen meine Gedanken wieder auf Wanderschaft; doch wieder zieht irgendetwas meine Aufmerksamkeit an und ich sehe ein Tier. Erkenne ein Reh. Es steht da, bewegungslos, und schaut mich an. Ich schaue es an und es bewegt sich nicht. Es bewegt sich überhaupt nicht. Es schaut einfach nur in meine Richtung. Und ich frage mich schon, ob es echt sei, denn es bewegt sich nicht. Ich mache ein Foto. Es bewegt sich nicht. Ich gehe näher heran, bleibe stehen, schaue es an. Es schaut zurück und ich mache ein Foto. Ich gehe noch weiter heran und es schaut mich an und ich mache ein Foto. Das letzte Foto kann ich so nah am Reh machen, dass man es auf dem Bild richtig gut erkennen kann. Warum mache ich Fotos? Vielleicht, um das Erleben festzuhalten. Aber das Erleben lässt sich nicht festhalten, es dreht sich um und springt einfach davon, wenn man es festhalten möchte.